Autorin: Isabella Mariá Eikel
Datum: 17.08.2024
Kategorie: Vorträge

Kartellrechtspraxis von Tobias Pesch

Am 2. Juli 2024 hatten wir Tobias Pesch bei uns in Bayreuth zu Gast. Tobias Pesch ist Counsel bei White & Case LLP, einer US-amerikanischen Wirtschaftskanzlei, in Düsseldorf. Aufgrund seiner Tätigkeit im Kartellrecht und seiner Expertise im Bereich Legal Tech erläuterte er uns in seinem Vortrag die Verknüpfung der beiden Bereiche.

Ist das fair?

Das ist eine der zentralen Fragen des Kartellrechts, ein für junge Studierende eher unbekanntes Rechtsgebiet. Das Kartellrecht dient dem Schutz des fairen Wettbewerbs auf dem Markt. Grundlegend sind die Zusammenschlusskontrolle, Missbrauchsaufsicht und Kartellbekämpfung. Anstatt uns eine rein theoretische Einleitung zu geben, veranschaulichte Tobias Pesch das Rechtsgebiet anhand vieler verschiedener Fallbeispiele, wie dem ABInBev-Fall.

Hier wurde ein Unternehmen wegen Missbrauchs seiner herrschenden Stellung auf dem belgischen Biermarkt sanktioniert. Es ergriff verschiedene Maßnahmen, um die Einfuhr ihres Jupiler Biers aus den Niederlanden zu verhindern, wo es günstiger war. Beispielsweise veränderte das Unternehmen die Verpackung, sodass diese nach belgischen Vorschriften nicht mehr zulässig war. Diese Maßnahmen stellten einen Verstoß gegen das EU-Kartellrecht dar.

Später folgt, inwiefern generative KI in diesem Rechtsgebiet angewendet werden kann. Vorerst aber ein allgemeiner Einblick in den Einsatz von Legal Tech.

Der Höhepunkt der KI als Tiefpunkt der Juristen?

Natürlich stellten wir uns die Gretchen-Frage des Legal-Tech: Können Juristen durch KI ersetzt werden? Laut dem Gartner Hype Cycle, einer grafischen Darstellung der Entwicklung neuer Technologien, befinden wir uns momentan am Höhepunkt der Erwartungen an generative KI. Die Antwort auf diese Frage ist komplex, da die Anwendbarkeit von KI in juristischen Tätigkeiten stark vom jeweiligen Rechtsgebiet abhängt.

Die Strafverteidigung oder Wirtschaftskriminalität eignet sich weniger gut für den Einsatz von KI, da diese Bereiche durch individuelle Einzelfälle, unterschiedliche Kontexte und ethische Abwägungen geprägt sind. Hingegen ist KI besonders gut für regelbasierte und klar messbare Bereiche wie Fluggastrechte oder Bußgelder im Verkehrsrecht geeignet.

Eine besondere Herausforderung für KI im juristischen Bereich besteht darin, die Handhabung von Risiken angemessen zu gestalten. Schließlich muss sichergestellt werden, dass bei der Anwendung von KI-Technologien alle möglichen Risiken und Unsicherheiten angemessen hantiert werden, um verlässliche Ergebnisse zu gewährleisten.

Legal Tech im Kartellrecht

Diese Herausforderung stellt sich insbesondere im kartellrechtlichen Bereich. Vertrauliche Informationen und Geschäftsgeheimnisse spielen für die Bewertung von Kartellverstößen eine maßgebliche Rolle. Diese Informationen zu definieren, stellt die große Schwierigkeit dar.

KI ist nicht einfach eine Suchmaschine, sondern ein System, das durch Datenfütterung trainiert wurde, um Token zu generieren. Hürden für die KI umfassen unter anderem die Unterscheidung zwischen Syntax und Semantik oder die Abgrenzung von Objektivität und Subjektivität. Für uns Menschen ist ein Verständnis und eine Bewertung von solchen Informationen eine intuitive Selbstverständlichkeit. Es bedarf bei uns keinem Pretraning. Unser Verständnis wird vielmehr durch persönliche Erfahrungen, politische Ansichten und andere Faktoren geprägt, menschliche Werte, die nicht einfach von einem Computer erlernt werden können. Somit erscheint der Einsatz von generativer KI im Kartellrecht unter diesen Gesichtspunkten erschwerter und weniger zielführend.

Das bedeutet jedoch nicht, dass KI einfach so abgewertet werden kann und sollte. Schließlich kann es als nützliches Screening Tool zur Vereinfachung juristischer Prozesse dienen. Beispielsweise können Algorithmen verwendet werden, um Muster von Wettbewerbsverstößen zu identifizieren. Auch Spracherkennungstools, die Aufnahmen von Konferenzen machen und somit ein perfektes Transkript erstellen, sind hilfreich.

Citizen Development – Selbst entwickelte Tools

Tobias Pesch ist als begeisterter Legal-Tech-Experte auch selbst in der Entwicklung von Tools tätig geworden. Er betonte die Bedeutung von Citizen Development, die Entwicklung von Software außerhalb des IT-Bereichs durch technisch versierte, fachspezifische Mitarbeiter. Tobias Pesch hat beispielsweise ein Judgment Prediction Tool entwickelt. Durch Screen Scraping von etlichen Entscheidungen und das Sammeln zahlreicher Daten, hat er ein Tool erstellt, welches die Dauer von Entscheidungen mithilfe vergangener Entscheidungen schätzen kann. Zudem hat er unter anderem einen Simple Interest vs. Compound Interest Calculator oder ein Tool zur Bestimmung von Law Firm Revenue Over Time erstellt.

Das Letztere beantwortete auch weitestgehend unsere vorherige Gretchen-Frage. Trotz der Veränderung juristischer Arbeit durch KI ist erkenntlich, wie Großkanzleien weiterhin kontinuierlich mehr Umsatz generieren. Diese Entwicklung lässt schließen, dass dies auch in Zukunft so sein wird und ein erheblicher Umbruch geschehen müsste, um die Mehrzahl der Juristen zu ersetzen. Tobias Pesch erklärte diese Prognose mit dem Interesse großer Unternehmen an ordentlicher juristischer Arbeit. Zwar wäre der Einsatz generativer KI im Interesse Kosten zu senken, doch ist das Vertrauen auf sorgfältige Juristen gewichtiger.

Kartellrechtspraxis von Tobias Pesch

Nach dem Vortrag folgte ein gemeinsames Abendessen im Oskars. Vielen Dank an Tobias Pesch und White & Case LLP für den aufschlussreichen Vortrag!

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