Autor: Lukas Wintmölle
Datum: 16.07.2023
Kategorie: Vorträge, Wissen
Generative KI im Jurastudium
– ein Titel, der auf den ersten Blick zunächst verwirren mag, setzt er mit Künstlicher Intelligenz und Jurastudium doch zwei Begriffe miteinander in Bezug, die jedenfalls in der gängigen Praxis (noch) nicht unbedingt zusammengehören. Entsprechend groß war die Resonanz nicht nur unter Studierenden, sondern auch unter Professorinnen und Professoren sowie wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich am Abend des 04. Juli 2023 im gut gefüllten Hörsaal genau diesem Thema zuwendeten: Der Frage, ob und vor allem wie sich Künstliche Intelligenz schon heute in der juristischen Ausbildung einsetzen lässt und wie dies in Zukunft möglich sein wird.
Vor allem ein Chatbot ist dabei bereits seit geraumer Zeit in aller Munde: ChatGPT – ein, wie Studiendekan Prof. Krönke in seiner Einführung beschrieb, „stochastischer Papagei“, der mit großen Mengen an Textdaten trainiert wurde und so in der Lage ist, Muster und Zusammenhänge in Texteingaben zu erkennen und präzise und kohärente Antworten zu generieren.
ChatGPT und Hausarbeiten
Doch welchen Mehrwert können Jurastudentinnen und Jurastudenten aus dem Chatbot wirklich ziehen? Dieser Frage widmete sich Prof. Nina Nestler, die ChatGPT in Vorbereitung auf die Veranstaltung mit der Lösung juristischer Sachverhalte konfrontierte. Ihre Einschätzung: aus Studierendensicht eher ernüchternd. Zwar kann die juristische Expertise von ChatGPT durchaus hilfreiche Ideen und Anstöße liefern, einer juristisch sauberen und fehlerfreien Lösung lässt sich mithilfe von ChatGPT gegenwärtig aber noch kein Sachverhalt zuführen. Dass ChatGPT jedenfalls derzeit noch kein „Gamechanger“ in der juristischen Ausbildung ist, liegt vor allem daran, dass der Chatbot (noch) keinen Zugriff auf einschlägige Fachdatenbanken hat, deren Inhalte üblicherweise durch Paywalls geschützt sind, auch mit der Folge, dass ChatGPT keine belastbaren wissenschaftlichen Quellennachweise liefert.
Weitaus positiver fällt das Urteil der Strafrechtsprofessorin aus, geht es um den Einsatz von ChatGPT bei der Erstellung von Klausursachverhalten: Der Chatbot adaptiere nicht nur auf hervorragende Weise den für juristische Sachverhalte üblichen Duktus, sondern liefere auch verwertbare und kreative Sachverhalte, die sich mit ein wenig Überarbeitungsaufwand auch als Klausuren oder Hausarbeiten eignen könnten.
ChatGPT und Hausarbeiten
Professorin Ruth Janal warf in ihrem Vortrag unterdessen einen Blick auf die Möglichkeiten des Einsatzes von ChatGPT und anderen KI-Modellen in der juristischen Lehre. Trotz gegenwärtig noch bestehender Defizite, so Prof. Janal, könne KI in naher Zukunft die Ausbildung angehender Juristinnen und Juristen durchaus bereichern und ergänzen, etwa durch KI-generierte Videos oder Quizze. Insbesondere zur Auflockerung und bildlichen darstellung von Sachverhalten sah sie Potenzial. Anders jedoch, wenn es etwa um die Recherche wichtiger Fälle in der Ausbildung geht. Hier erzielte ChatGPT noch sehr ungenaue Treffer und schaffte es nicht die relevanten Ergebnisse zu priorisieren. Auch dies könnte sich jedoch mit dem Zugriff auf einschlägige Datenbanken deutlich verbessern.
ChatGPT und Lernen für Klausuren
Professor Knut Werner Lange hingegen erprobte indessen die Fähigkeiten von ChatGPT bei der Beurteilung juristischer Aussagen. Dabei steht fest: Eine Klausur oder gar Hausarbeit lässt sich mit ChatGPT nicht auf den Prüfstand stellen. Zwar identifiziert der Chatbot durchaus Fehler als solche, zu einer entsprechend differenzierten und skalierten Benotung ist er jedoch nicht in der Lage. Zur Wiederholung zuhause könne man das Tool nutzen, eine richtige Klausurfragenvorbereitung kann es jedoch nicht leisten.
Diskussionsrunde
In der anschließenden Diskussion stellten sich die Referentinnen und Referenten schließlich den Fragen und Wortmeldungen des Plenums, wobei vor allem eine Frage die Debatte bestimmte: Welchen Stellenwert im digitalisierten Rechtsstaat werden wir noch haben, die wir als Jurastudentinnen und Jurastudenten die Juristinnen und Juristen von morgen sein werden? Oder kurz gesagt: Wie steht es um die Überlebensfähigkeit unseres Berufsstands?
Das Votum der Professorenschaft zu dieser Frage jedenfalls war einhellig, mitunter auch optimistisch: Der Einsatz von KI in der juristischen Praxis – so auch im Jurastudium – birgt Potenziale. Weniger war von Ersetzen die Rede, mehr von Ergänzen. Potenziale allerdings, die nur dann sinnvoll genutzt werden könnten, wenn sich auch die juristische Ausbildung, die Universitäten und Prüfungsämter, den Entwicklungen unserer Zeit annimmt. Und so unverkennbar diese Entwicklung auch sein mag – die Referentinnen und Referenten drängten gerade in Richtung des Landesjustizprüfungsamts darauf, die Technologien der Zukunft in die Lehrpläne an den juristischen Fakultäten zu integrieren. Nur so sei gewährleistet, die künftigen Juristinnen und Juristen bestmöglich auf die sich verändernden Anforderungen und Bedingungen vorzubereiten.
Ein abschließender Dank gilt den Referentinnen und Referenten Prof. Dr. Christoph Krönke, Prof. Dr. Nina Nestler, Prof. Dr. Ruth Janal sowie Prof. Knut Werner Lange für die Zusammenarbeit sowie die wertvollen und erkenntnisreichen Impulse der Veranstaltung.
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